Labordiagnostik (Diabetes mellitus)
Endokrinologie und Diabetologie
Steckbrief
Zur Evaluation der diabetischen Stoffwechsellage werden Blutglukose und HbA1c gemessen. Hierbei hat in den letzten Jahren eine zunehmende Standardisierung der Messmethoden stattgefunden, was zu vergleichbaren Ergebnissen zwischen den verschiedenen Methoden geführt hat. Die Messung von Insulin als Parameter zur Evaluation der Insulinsensitivität erfolgt mittels verschiedener Immunoassays, wobei hier aktuell aufgrund noch zu optimierender Standardisierung keine gute Vergleichbarkeit zwischen den verschiedenen Messmethoden existiert. Autoimmunantikörper wie GAD65A (Antikörper gegen Glutamatdekarboxylase) und IA-2A (Antikörper gegen Tyrosinphosphatase IA 2) dienen vor allem zur Differenzierung des Diabetes mellitus Typ 1. Zur Einschätzung einer diabetischen Nephropathie wird der Albumin-Kreatinin-Quotient im Urin bestimmt. Das kardiovaskuläre Risiko kann zudem mittels des Lipidstatus und des C-reaktiven Proteins (CRP) näher eingeschätzt werden.Synonyme
- Laboruntersuchungen
Keywords
- Labor, Diagnostik
- Glukose
- oGTT
- HbA1c
- Antikörper
- Analytik
Definition
- Die akute Plasmaglukosebestimmung liefert Informationen über den aktuellen Blutzuckerspiegel.
- Zur Langzeitevaluation der Blutzuckereinstellung ist sie jedoch weniger geeignet.
- Die Bestimmung des HbA1c (und ggf. des Fruktosamins) erlaubt eine Einschätzung der längerfristigen Glukosestoffwechsellage (2–3 Monate bzw. 2–3 Wochen).
- Zur Einschätzung der Insulinsensitivität kann der HOMA-IR (HOMA: Homeostasis Model Assessment, IR: Insulinresistenz) bestimmt werden. Dieser lässt sich aus der Nüchternglukose und dem Nüchterninsulin errechnen.
- Niedrige Insulin- und C-Peptidspiegel bzw. ein unzureichender Anstieg unter Glukosebelastung weisen auf einen Diabetes mellitus Typ 1 hin. Dazu passend finden sich hier gehäuft auch positive Titer für GAD65A, IA-2A, IAA (Insulinautoantikörper), ICA (Antikörper gegen zytoplasmatische Inselzellantikörper) oder ZnT8A (Antikörper gegen Zinktransporter).
Indikationen
- Blutglukosespiegel: Sie repräsentieren eine Momentaufnahme und sind daher für eine Kontrolle und Optimierung der antidiabetischen Therapie eher bei wiederholter Messung geeignet.
- Daneben dient die Messung der Blutglukose zur Diabetesdiagnostik im Rahmen eines oralen Glukosetoleranztests (oGTT) und zur intensivmedizinischen Überwachung bei parenteralen Ernährungstherapien.
- HbA1c: zur Langzeitevaluation der Blutzuckereinstellung
- Der Anteil an glykiertem Hämoglobin (HbA1c) ist ein Maß für die mittleren Blutzuckerspiegel.
- Daher hat ein hoher Anteil an Hypoglykämien einen senkenden Effekt, wodurch bei schlechter Blutzuckereinstellung auch hohe Glukosewerte maskiert werden können.
- Seit einigen Jahren kann der HbA1c aber auch zur Diagnosestellung genutzt werden.
- Der Fruktosaminwert (bezeichnet Ketoamine, die durch nicht enzymatische Glykierung von Serumproteinen [meist Albumin und IgG]) entstehen) wird nur selten genutzt (z.B. bei Hämoglobinvarianten oder diskrepanten Befunden). Je nach Fruktosaminwert kann hier eine sehr gute (<285µmol/l), gute (285–320µmol/l), ausreichende (320–350µmol/l), mäßige (350–370µmol/l) und ungenügende (>370 µmol/l) Einstellung unterschieden werden.
- Insulin und C-Peptid: bei erhöhter Glukose oder nach Glukagonstimulation zur Diagnostik eines Diabetes Typ 1 bzw. bei länger bestehendem Diabetes Typ 2 zur Bestimmung der funktionellen Reserve der Betazellen
- Nüchterninsulinbestimmung zur Kalkulation des HOMA-IR als einfaches Maß der (vor allem hepatischen) Insulinresistenz
- Autoantikörper: Positive Titer für GAD65A, IA-2A oder ZnT8A sind typische Befunde beim Diabetes Typ 1.
- GAD65A finden sich bei ca. 70–80% der Patienten mit Diabetes Typ 1 und IA-2A bei 30–50%. Die gemeinsame Bestimmung beider Autoantikörper hat hinsichtlich der Diagnosestellung eines Diabetes Typ 1 eine Sensitivität von 80–90%. Die Bestimmung dieser Autoantikörper ist allerdings nur zur Klassifikation des Diabetes indiziert.
- Ketonkörper: Erhöhte Ketonkörper im Spontanurin und 3-Hydroxybutyrat-Spiegel (steht im Gleichgewicht mit dem flüchtigen Azetoazetat) im Plasma sprechen bei Hyperglykämie für eine Entgleisung bei Insulinmangel bei Diabetes Typ 1.
- Eine Messung der Ketonkörper ist ab einem Blutzucker von >250 mg/dl sinnvoll, um eine Ketoazidose auszuschließen.
- Die Bestimmung des Albumin-Kreatinin-Quotienten (AKQ) im Urin (Normwert <30mg/g Kreatinin), von Lipidparametern, des hsCRP und ggf. der AGEs (Advanced Glycation End Products) in der Haut liefert ergänzende Informationen bzgl. diabetischer Nephropathie oder kardiovaskulärem Risiko.
Merke Die Bestimmung des HbA1c kann sowohl im Rahmen der Diagnostik als auch zur Therapiekontrolle eingesetzt werden. |
Kontraindikationen
- Glukagontest: gleichzeitiger Verdacht auf ein Phäochromozytom, Postagressionsstoffwechsel, dekompensierte diabetische Stoffwechsellage
- oGTT: bekannter Diabetes mellitus, aktuell bestehende akute Erkrankung mit Stresshormonaktivierung, Postagressionsstoffwechsel
Aufklärung und spezielle Risiken
- Glukagontest: hypertensive Krise, starke Übelkeit
- oGTT: Späthypoglykämien (vor allem bei prädiabetischer Stoffwechsellage)
Material
- Die Glukosebestimmung kann sowohl im Vollblut als auch im Plasma (11% höher als im Vollblut) und Urin erfolgen.
- Zur Vergleichbarkeit der verschiedenen Materialien wird eine Plasmakalibration der Messwerte empfohlen (Vollblutwert × 1,11).
- Zudem ist die Glukose im Vollblut bei Raumtemperatur weniger als 1h stabil (Tab. 10.2). Die Messwerte sinken durch die weiter ablaufende Glykolyse um ca. 10–15% pro Stunde. Daher ist der Zusatz von Glykolyseinhibitoren (Natriumfluorid, ggf. weiterer Zusatz von Zitrat) dringend anzuraten.
- Für die patientennahe Sofortdiagnostik der Blutglukosemessung (Point-of-Care-Testing: POCT) wird in der Regel Kapillarblut eingesetzt, seltener auch Vollblut. Aber auch hier findet zunehmend eine Kalibration auf Plasmaglukosewerte Verwendung.
- Alternativ sind in Tab. 10.2 die jeweiligen Referenzwerte für die verschiedenen Probenmaterialien dargestellt. Zudem bestehen im Rahmen des Gestationsdiabetes abweichende Grenzwerte (Tab. 10.3).
- Die Bestimmung des HbA1c erfolgt im Vollblut, wobei in der Regel EDTA als Antikoagulans verwendet wird (Tab. 10.4).
- Die Bestimmung von Insulin und C-Peptid (Serum oder [Heparin-/EDTA-] Plasma) erfolgt mittels spezifischer Immunoassays (ELISA, ECLIA, FIA).
- Die GAD65- und IA-2-Autoantikörperbestimmung erfolgt im Serum oder Plasma mittels verschiedener ELISA mit festphasengebundenem GAD oder IA-s.
- Die Analyse des AKQ erfolgt im Spontanurin oder ggf. im 24-h-Sammelurin.
Merke Bei der Interpretation der Glukosewerte ist die Berücksichtigung der Präanalytik ein wichtiger Faktor. |
1-h-Glukose im oGTT |
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2-h-Glukose im oGTT |
Durchführung
- Für die Messung der Blutzuckerspiegel werden am häufigsten die Hexokinase- oder Glukoseoxidase-Methode (enzymatische Umsetzung der Glukose) angewendet.
- Im Rahmen der Standardisierung der HbA1c-Analyse durch das National Glycohemoglobin Standardization Program (NGSP) (Angaben in %) und die International Federation for Clinical Chemistry (IFCC) (Angaben in mmol/mol) wurde u.a. eine neue Referenzpräparation für HbA1c und als Referenzverfahren die HPLC, gekoppelt an LC-MS/MS, vereinbart.
- An diesen Ergebnissen werden alle anderen Methoden zertifiziert.
- Für die einfache Umrechnung ergibt sich näherungsweise: HbA1c (neu) mmol/mol : 10 + 2 = HbA1c (alt) % (exakt: HbA1c (neu) mmol/mol : 10,929 + 2,15 = HbA1c (alt) %)
- HbA1c-Bestimmung ist auch mittels POCT-Messung möglich (mit der IFCC-Referenzmethode abgeglichene Methoden [immunologisch, enzymatisch, Affinitätschromatografie und Kapillarelektrophorese]).
- Bestimmung von Fruktosamin (Plasma/Serum): Farbumschlagsmessung nach nicht enzymatischer Reaktion der Ketoamine mit Nitrotetrazolinblau, immunologisch oder enzymatisch
- Die Bestimmung der Albuminurie erfolgt semiquantitativ (Teststreifen) oder quantitativ (Immun-Nephelometrie und Immun-Turbidimetrie).
- nach 3-tägiger kohlenhydratreicher Ernährung und 8-stündigem Fasten:
- oGTT: Nüchternglukosebestimmung, anschließend orale Zufuhr von 75g Glukose (<10 Minuten), Glukosebestimmung nach 2h (ggf. öfter und zusätzlich Insulin)
- Glukagontest: Bestimmung von Glukose, Insulin und C-Peptid vor sowie 6min nach i.v.-Injektion (Bolus langsam) von 1mg Glukagon verdünnt in 10ml 0,9% NaCl
Mögliche Komplikationen
- Einflussfaktoren auf die Analyse:
- falsch hohe HbA1c-Werte: verlängerte Erythrozytenüberlebenszeit, Urämie, Hyperbilirubinämie, chronische Niereninsuffizienz
- falsch niedrige HbA1c-Werte: Hämoglobinopathien, verkürzte Erythrozytenüberlebenszeit, hämolytischen Anämien, Lebererkrankungen
- falsch niedrige Insulinwerte: Hämolyse
- falsch hohe Insulinwerte: Nieren- und Leberfunktionsstörungen
- Erhöhung des AKQ: fieberhafte Infekte, körperliche Belastung, deutliche Hyperglykämie, Hämaturie, Herzinsuffizienz.
Literatur
Literatur zur weiteren Vertiefung
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[1] Gambino R, Piscitelli J, Ackattupathil T et al. Acidification of Blood is Superior to Sodium Fluoride Alone as an Inhibitor of Glycolysis. Clin Chem 2009; 55: 1019–1021
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[2] Guder WG, Nolte J. Das Laborbuch für Klinik und Praxis. 2. Aufl. München: Elsevier, Urban und Fischer; 2009
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[3] Rettig I, Schleicher E. Labormethoden bei Diabetes mellitus. Diabetologie und Stoffwechsel 2012; 7: R1–R16
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